Charlotte Näf feierte am Montag ihren 100. Geburtstag. Glückwünsche erhielt sie unter anderem von Stadtpräsident Anders Stokholm und Stadtschreiberin Bettina Beck. Bild: Nico Wrzeszcz
03.12.2024 15:48
«Ich blicke auf ein reiches Leben zurück»
Charlotte Näf feierte ihren 100. Geburtstag und erzählte aus ihrem Leben
Am Montag wurde Charlotte Näf 100 Jahre alt. Am heutigen Dienstag wurde sie von Stadtpräsident Anders Stokholm geehrt und erzählte dabei aus ihrem bewegten Leben.
Frauenfeld Nie hätte sie auch nur im entferntesten daran gedacht, einmal 100 Jahre alt zu werden, und doch ist es am Montag geschehen. Charlotte Näf erreichte das, was nicht viele im Leben schaffen. «Es gibt kein Geheimnis, warum ich so alt geworden bin. Vielleicht liegt es auch einfach daran, dass ich keinen Alkohol trinke», erzählt Charlotte Näf. Sie hat viel erlebt in ihrem Leben, hat ihre zwei Enkel aufgezogen, ihre Tochter vor zehn Jahren wegen Krankheit verloren und war mit ihrem Mann Edwin 72 Jahre verheiratet - bis zu seinem Tod.
«Ich war eine von vier Schwestern, war aber mit neun Jahren Unterschied die Jüngste.» Für ihre Lehre als Maskenbildnerin zog es Charlotte Näf von Hedingen nach Zürich. «Mit 17 Jahren habe ich dort meinen Mann kennengelernt. 1946 haben wir geheiratet, drei Jahre später kam unsere Tochter auf die Welt.» Charlotte Näf war die, die für alles und alle da war. So kümmerte sie sich auch um ihre beiden Enkel, ihre Tochter war beruflich sehr viel unterwegs. «Auch heute schauen meine Enkel viel nach mir, wir haben ein sehr gutes Verhältnis.» Ein Enkel arbeitet hier als Lokführer, der andere Enkel lebt seit 25 Jahren in Alaska. «Jeden Morgen, wenn er aufsteht, ruft er mich an. Nur einmal drei Tage am Stück nicht, da habe ich mir natürlich Sorgen gemacht», erinnert sie sich. Grund dafür war jedoch nur ein Stromausfall.
Im Leben viel gereist
Mit ihrem Mann Edwin war Charlotte Näf viel auf der Welt unterwegs, hat in Indonesien mit ihrem Mann sogar eine Schule gegründet. «Heute habe ich aber kaum Kontakt mehr dorthin. Die Zeiten haben sich verändert, eine andere Generation führt die Schule aber weiter.» In ihrem Alter reist Charlotte Näf nun verständlicherweise nicht mehr. Viel lieber sitzt sie in «ihrem Park», wie sie die Anlage beim Alterszentrum Park gerne nennt. Hier hat sie unter anderem rund 120 Mützen für Neugeborene im Spital gestrickt. Und dort habe sie auch ihre Ruhe. «Denn manchmal habe ich Mühe mit den alten Weibern, sie erzählen immer wieder das Gleiche», lacht sie. Für ihr Alter ist Charlotte Näf noch sehr fit, wiederholt sich in ihren Erzählungen kein einziges Mal, verliert nur zweimal kurz den Faden, findet jedoch mit kurzer Hilfe gleich wieder zur richtigen Geschichte. «Ich könnte den ganzen Tag hier sitzen und zuhören», sagt Stadtschreiberin Bettina Beck.
Mit ihrer Familie hat sie am Montag gefeiert. «Ich habe 25 Einladungen verschickt, gekommen sind aber 27 Personen», sagt Näf freudig. «Ich habe so viele Blumen gekommen, das fand ich richtig schön, meine Wohnung ist noch gar nicht fertig aufgeräumt.»
Vom Leben ist sie mehr oder weniger satt, sagt sie. «Ich habe alles in meinem Leben erlebt. Habe keinerlei Erwartungen mehr an das Leben.» Vor allem der Verlust ihres Mannes fiel ihr schwer. «Nachdem wir durch die altersgerechten Wohnungen getrennt leben mussten, ging es Edwin zusätzlich zum Prostatakrebs zunehmend schlechter. Er konnte einfach nicht akzeptieren, dass wir nach über 70 Jahren nicht mehr zusammen leben werden.» Nach seinem Tod hatte sie einen «psychischen Herzinfarkt», - sie litt wohl an einem gebrochenen Herzen. «Mein Mann wurde bei unserer Tochter begraben, wenn bei mir die Zeit gekommen ist, werde ich bei ihnen meine letzte Ruhe finden. Für mich ist mein Leben komplett. Ich will nicht bettlägerig oder ein Pflegefall werden. Wenn es für mich an der Zeit ist zu gehen, möchte ich einfach leise abtreten.»
Von Nico Wrzeszcz