06.03.2025 09:00
Liliputbahn wird 50 Jahre alt
Auch nach einem halben Jahrhundert immer noch beliebt
Sie ist nicht mehr aus Stein am Rhein weg zu denken - die Liliputbahn. 50 lebhafte Jahre liegen hinter ihr, so viele sollen noch folgen. Peter Steinemann erzählt von einem bewegten halben Jahrhundert.
Stein am Rhein Seit 47 Jahren engagiert sich Peter Steinemann für die Steiner Liliputbahn. Bald eine halbe Million Gäste drehten seither eine Runde mit der Mini-Dampflock. Dieses Jahr wird sie 50 Jahre alt. Der Pensionär und leidenschaftliche «Bähnler » nutzte den Anlass, um die Geschichte der Traditionsbahn zusammenzufassen. Einige der alten Garde seien sprichwörtlich noch mit an Bord, doch «die jüngeren Vereinsmitglieder kennen die Geschichte der Liliputbahn nicht im Detail.» Um das Wissen zu archivieren, suchte Peter Steinemann in stundenlanger Arbeit Fotos zusammen, arbeitete all die Dokumente auf und fasste diese auf 70 Seiten zusammen. Er habe sich schon länger Gedanken gemacht, die lange Geschichte der Liliputbahn zusammenzutragen, denn: «Immer wieder kommen Gäste und haben Fragen zur Bahn. Wie und warum und von wem wurde sie ins Leben gerufen. » Und nebst den kleinen und grossen Fahrgästen sind auch Eisenbahnliebhaber zu Gast, mit fachspezifischen Anliegen. So ist das Wissen nun konserviert und auch für die heutige Liliput-Generation abrufbar.
Junge Lokführer
Ist die Bahn in Betrieb, stehen sechs Vereinsmitglieder auf dem Platz. «Schon der Gründer, Charles Ball, und später sein Sohn, haben immer Jugendliche integriert, dies wurde über all die Jahre so weitergeführt », erzählt Steinemann. Er ist unter anderem auch für die Ausbildung dieser zuständig, denn mit 15 Jahren dürfen sie – steht's mit einem stolzen Strahlen im Gesicht – die Lok fahren. Die meisten kämen aus der Umgebung, doch «es engagierten sich auch schon Jugendliche aus Winterthur oder dem Rheintal.» Auch wenn sie in der Berufsausbildung weniger Zeit haben, so sei schon manche und mancher Jahre später mit den eigenen Kindern oder Enkeln vorbeigekommen. Eine Tradition, welche aus Stein am Rhein nicht mehr wegzudenken ist. Das Land gehört im Baurecht der Stadt. Diese begleitet die Liliputbahn seit Beginn an und ist auch in Zukunft interessiert an einem lebhaften Betrieb. «Die meisten Gäste sind Touristen, somit wertet die Bahn das touristische Angebot der Stadt auf», sagt Peter Steinemann. Und dies seit nun 50 Jahren.
Die Geschichte
Gegründet wurde die Liliputbahn von Charles Ball, damalige Eigner der Balson AG aus Stein am Rhein, welche bald in dritter Generation geführt wird. «Für ihn war es die beste Werbung, denn die Familie ist im Dampfmodellbau tätig.» So entschloss sich Charles Ball im Jahr 1974, eine Gartenbahn aufzubauen. Bis aber der erste Zug über die Geleise fahren konnte, gab es jede Menge Probleme aus dem Weg zu räumen. So galt es, die Steiner Stadträte von der Idee zu überzeugen. Die Behördenmitglieder wurden zu einem Augenschein auf die Stadtgartenwiese eingeladen, auf dieser ein Stück Geleise ausgelegt und eine Lok drauf gestellt wurde. «Den Stadträten hatte die Sache gefallen, sie waren mit dem Vorhaben einverstanden », erzählt Peter Steinemann. Im Folgejahr fand die offizielle Einweihung der Miniatur-Dampfeisenbahn im Steiner Stadtgarten statt. Die Geleise führten vom Wäldchen am Teich vorbei in die Stadtgartenwiese. Dort wurde das Oval einmal befahren, danach musste der Zug wieder zurück zur Station gestossen werden.
Beliebtheit steigt
Die ersten Lokomotiven waren selbstgebaute, amerikanische Modelle. Sie beförderten bereits 20 Erwachsene, waren aber im Sommer schnell überlastet. Es musste schnell eine grosse starke Lok gebaut werden. So entstand die erste Dampflok im Massstab 1:4. Die Anlage genügte den Ansprüchen bald nicht mehr. Es wurde deshalb beim Stadtrat eine Verlängerung der Strecke bis zum Strandbad beantragt mit einem Bahnhof mit Drehscheibe. Auch dieses Projekt wurde bewilligt. 1980 war die Liliputbahn inzwischen sehr bekannt und verlangte nach einer noch stärkeren Dampflok. Auf einer Reise durch Deutschland entdeckte Charles Ball eine alte Feldbahnlok, Jahrgang 1897. Sie sah so aus wie Kinder sich eine Dampflok von «Jim Knopf» vorstellen. Die Lok wurde im Massstab 1:3 von der Balson AG nachgebaut. «Sie hat in Stein am Rhein über 50'000 Kilometer zurückgelegt und viele tausend Fahrgäste befördert», erinnert sich Steinemann gerne zurück. Elf Jahr später war die Strecke inzwischen alt und reparaturbedürftig. Charles Ball plante eine neue Bahn mit zwei Spuren. «Doch es kam leider anders.»
Bis vors Bundesgericht
Der Einspruch eines Einwohners gegen den Neubau der Bahn wurde bis vor das Schweizer Bundesgericht gezogen. Dies trotz dem von der Stadt bewilligten Baurechtsvertrag und der Bewilligung sämtlicher Instanzen. «Die Bevölkerung von Stein am Rhein und Umgebung hat der Familie Ball bei diesem Prozess sehr geholfen und mit über 3500 Unterschriften ihre Sympathie und Unterstützung bekundet. Die ganzen Verhandlungen dauerten fast vier Jahre.» 1996 gab es Grund zum Feiern «Nahe beim Untertor und der Schiffsanlegestelle ‘Undere Obschtmäärkt’ wurde ein Bijou von einem Stationshäuschen im Massstab 1:2, ein Nachbau der Talstation der Brienzer-Rothornbahn eingeweiht.» 2010 verstarb der Gründer Charles Ball, sein Sohn Charles Ball Junior übernahm den Betrieb und führte ihn im Sinne seines Vaters weiter.
Gründung einer Stiftung
Am 1. Juli 2011 wurde in Stein am Rhein der Verein «Liliput Bahn Verein Stein am Rhein» mit dem Zweck zur Unterstützung der Liliputbahn gegründet. «Die Steiner Liliput Bahn AG war aber nach wie vor eigenständig und alleine für den Betrieb der Bahn zuständig», klärt Steinemann. Vor zehn Jahren wurde die Steiner Liliput Bahn AG, inklusive Baurechtsvertrag, durch die Jakob und Emma Windler-Stiftung von der Familie Ball übernommen. «Die Jakob und Emma Windler-Stiftung überschrieb anschliessend der neu gegründeten 'Stiftung Liliput Bahn Stein am Rhein' das gesamte Paket: Bahn, Rollmaterial und Gebäude», so Peter Steinemann. Der Betrieb der Bahn werde durch den Liliput Bahn Verein sichergestellt.
Von Desirée Müller