"Rehoming", ein Projekt, dass Labortieren ein zweites Leben schenkt.
26.09.2024 07:43
Zweites Leben für Labortiere
Der Tierschutzverein Steckborn vermittelt Labortiere
Kaninchen, Mäuse, Ratten ja sogar Hunde werden Tag für Tag in Tierversuchszentren eingesetzt. Schweizer Universitäten übergeben Labortiere, welche nur leichte Eingriffe erlebten dem Schweizer Tierschutz nach "getaner Arbeit". Die Sektionen, wie die Steckborner, versuchen anschliessend diese zu vermitteln. Ein Besuch der Präsidentin des Tierschutzverein Steckborn.
Müllheim Hund Max wedelt mit seinem Schwanz und begrüsst mich freundlich. Der gutmütige Rottweiler hat schon einige Jahre auf dem Buckel und tappt uns träge in die Stube hinterher. Vorbei an einem grossen Schildkrötengehege, in dem nicht nur die Schildkröten sich sonnen, sondern auch ein schwarz-weisser Kater, der sich gerne zu ihnen gesellt. Die Goldingers leben in dritter Generation in dem grossen, geschichtsträchtigen Haus mit viel Umschwung. Platz genug für die Vierbeiner, welche bei der Präsidentin des Tierschutzvereins Steckborn gefunden haben. Lisa ist Tierärztin und Gründerin des Tiermedizinischen Zentrums (Tezet) in Müllheim. Seit Anfang Jahr ist die 56-Jährige zumindest vorübergehend «Pensionärin». Denn: «Ich nehme mir zwei Jahre Zeit, um ehrenamtlich für den Tierschutz zu arbeiten.» Dabei lanciert sie gemeinsam mit vielen Freiwilligen drei Grossprojekte in der Region, welche bald spruchreif sind. Eine gar heroische Geste, welche sie bescheiden abtut. Finanzieren tut sich die Familie mit ihrem Ersparten und: «Ich bin meinem Mann sehr dankbar, dass er meine Vorhaben so unterstützt.»
Neues Leben für Glückpilze
Ein weiteres Projekt, das Lisa Goldinger am Herzen liegt, heisst «Rehoming». Labortiere, welche ihre «Arbeit getan haben», werden vom Schweizer Tierschutz (STS) an Sektionen vermittelt, welche wiederum ein Zuhause für die Tiere suchen. Der Tierschutzverein Steckborn ist eine davon. Die Universitäten Basel, Bern, Zürich und Lausanne beteiligen sich seit bald sechs Jahren an dem Projekt. Mehrheitlich sind es Kaninchen, Mäuse und Ratten, welche den Weg vom Labor in ein liebevolles Daheim finden. Bei den «Glückspilzen» handelt es sich um Labortiere, bei denen kleinere Eingriffe vorgenommen wurden. Sie waren zum Beispiel für die Verhaltensforschung im Einsatz, wurden für Parasitologische Untersuchungen verwendet oder es wurde ihnen Blut für Tests abgenommen. Genmanipulierte Tiere, welche nach Ende der Forschungszeit eine Beeinträchtigung haben, werden erlöst. «Die Forschenden sehen die Tiere vielmehr als Objekte, statt als Lebewesen. Ihr Ziel sind die Resultate, das Tierwohl steht hinten an.» Eine Art Selbstschutz, vermutet Lisa Goldinger. Die Labortiere dienen als «Werkzeug» für ihre Forschung. Jährlich werden über eine halbe Millionen Nager, Fische und auch Hunde für Tierversuche eingesetzt. Die grosse Mehrheit wird nach Ende der Studien eingeschläfert. Die Lobby sei so gross, dass auch mit vielen Bemühungen seitens Tierschutzorganisationen nicht viel erreicht werden könne. «Die Gesetzlage ist bei Labortieren anders als bei Haustieren», weiss die Tierschützerin. Angefangen bei den Haltebedingungen, welche viel niedriger sind. Bei einer Sache sieht Lisa Goldinger grossen Änderungsbedarf: «Es gibt spezielle Einrichtungen, welche die Labortiere nach strengen Vorgaben züchtet. Die Labore kaufen immer viel mehr Tiere ein, als die sie schlussendlich für die Forschung einsetzen. Somit werden jährlich tausende von Nager euthanasiert, welche nicht einmal einen Beitrag leisten konnten.» Mit einer besseren Planung könnten laut der Tierschützerin viele Tierleben geschützt werden
Bereits Labortiere vermittelt
Lisa hat selbst vier Hasen bei sich aufgenommen und diese erfolgreich vermitteln können. Die Kaninchen spürten bis dahin noch nie Gras unter ihren Tatzen, Regen auf dem Fall und Rüebli und Gurke sind ihnen fremd. «Es dauerte nur wenige Tage, bis die Häslis ein normales Verhalten zeigten.» Lisa Goldinger war erstaunt, wie schnell sich die Tiere in der neuen Umgebung einlebten. «Sie buddelten und sozialisierten sich mit ihren Artgenossen.» Auch schon konnte der Tierschutzverein Steckborn vier Ratten im Rahmen des Rehoming-Projektes ein Zuhause schenken. Diese seien schwerer zu vermitteln als Hasen oder Mäuse. Aktuell warten dreissig der Nager beim STS auf neue Besitzer. Pharma Unternehmen oder Kosmetik Institute konnten bisher nicht motiviert werden, ebenfalls ihre Labortiere zur Vermittlung dem Tierschutz zu übergeben. Ein Fakt, der sich hoffentlich in den nächsten Jahren verändern wird.
Von Desirée Müller